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Hinweis zu „geschlechtsneutraler Sprache/Gendern“ in diesem Blog

8. Oktober 2021

Wie stehst Du zur „geschlechtsneutralen oder geschlechtsgerechten Sprache“ beziehungsweise dem „Gendern“? Man könnte einwenden, dass es nun wirklich gerade dringlichere Fragen und Probleme gibt. Aber wer einen Blog zu schreiben beginnt, kommt heutzutage um diese Frage nicht mehr herum.

Hinweis zu „geschlechtsneutraler Sprache/Gendern“ in diesem Blog

In meinen Büchern habe ich bisher unterschiedlich gegendert. 1994, vor 30 Jahren, schrieb ich noch im Vorwort: „Der Einfachheit halber verwende ich im Text nur die in der deutschen Sprache üblichere männliche Wortform. Alle weiblichen Leser bitte ich hiermit um Verständnis.“

Nun ja, diese Sätze entstanden in einer Zeit, in der „Frau Schmidt ist ein toller Arzt, Professor, Lehrer...“ noch allgemein verbreitet waren, vor allem im Osten.

In einem späteren Buch, 2005, schrieb ich dann: „Aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit wird abwechselnd die männliche und die weibliche Schreibweise benutzt“. Das war aber auch nicht so toll, denn das stupide Abwechseln führt halt auch mal zu „Diktatorinnen“ im Fließtext, obwohl es diese in der realen Welt kaum gibt.

Später schrieb ich vermehrt auf Englisch, der meistverwendeten Wissenschaftssprache, was die Sache enorm vereinfachte. Denn im Englischen bezeichnen zwar die Pronomen (he/him; she/her) das biologische Geschlecht der bezeichneten Person, genau wie im Deutschen; aber anders als im Deutschen sind im Englischen die Substantive innersprachlich erst mal geschlechtsneutral (a woman vs. eine Frau, a man vs ein Mann). Es sind also viel weniger Wörter im Englischen von der Gender-Frage betroffen.

Die Universität Tübingen, an der ich lehre, hat eigene Richtlinien zur geschlechtergerechten Sprache erlassen, und diese empfehlen die so genannte Beidnennung mit dem Hinweis „Die Nennung von Frauen und Männern ist am besten geeignet, um weibliche und männliche Geschlechterstereotype aufzubrechen“ – und dem direkt folgenden Warnhinweis „Ein Nachteil der Beidnennung ist die Beeinträchtigung der Lesbarkeit bei Aufzählungen.“ (mit dem Beispiel „Studentinnen und Studenten, Dozentinnen und Dozenten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“). Na toll... Natürlich halte ich mich an die Regeln meiner Uni, aber eben nur solange ich für sie tätig bin. Meinen Blog schreibe ich nach Feierabend, und da bin ich frei, mich so entscheiden, wie ich es will.

Wie viel Gendern verträgt ein eleganter Text? Manche Formen geschlechtsneutralen Schreibens haben sich längst durchgesetzt (z.B. ‚Führungskraft/Führungskräfte‘, ‚Lehrkraft/Lehrkräfte‘, ‚Feuerwehr/Feuerwehrleute‘)‘), ohne dass sich irgendjemand darüber aufregt. Oder die entsprechenden Wörter waren schon immer geschlechtsneutral, wie ‚Regierung‘, ‚Verwaltung‘, ‚Mensch‘, ‚Person‘, ‚Individuum‘; Star‘ (Berühmtheit) oder ‚Waise‘. Der Streit geht also nur um bestimmte Formen des Genderns, z.B. das BinnenI, der Unterstrich, das Gender-Sternchen (Asterisk) oder der Doppelpunkt mitten im Wort (MitarbeiterInnen, Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter:innen).

Ich bin kein Linguist, aber soweit ich es beurteilen kann, sind beide Extrempositionen in der Debatte wissenschaftlich falsch. 

Die erste Extremposition lautet:

Das grammatikalische Geschlecht eines deutschen Substantivs korrespondiert immer mit dem biologischen Geschlecht des Referenzobjektes oder der Referenzobjekte: Hier gibt es zahlreiche Gegenbeispiele: die Wache (obwohl es meistens Männer waren, die irgendwas bewachten), der Liebling (oft eine Bezeichnung für Frauen: „Sie ist (m)ein Liebling“). Zudem benutzen wir alle das generische Maskulinum, wenn es nicht um Personenbezeichnungen, sondern um Ortsbezeichnungen geht. Jedermann und jedefrau sagt: „Ich geh noch schnell zum Bäcker“ oder „Morgen muss ich leider zum Zahnarzt“ (anstatt in diesem Kontext ‚Bäckerin‘ oder ‚Zahnärztin‘ zu verwenden)

Die zweite Extremposition lautet:

Das grammatikalische Geschlecht eines deutschen Substantivs korrespondiert nie mit dem biologischen Geschlecht des Referenzobjektes. Das stimmt halt auch nicht. Es ist kein Zufall, dass es die Mutter und der Vater heißt, und nicht die vertauschten Artikel vor diesen Substantiven stehen. 

Letztlich geht es um Assoziationen, also an welche Referenzobjekte in der realen Welt wir denken, wenn wir bestimmte Wörter hören. Und diese Assoziationen wandeln sich im Laufe der Zeit. Dies lässt sich an Umfragen, aber auch an Erlassen und Verordnungen nachweisen. Erst seit Anfang der 1990er Jahre gibt es den Erlass, dass bei einer weiblichen Besetzung eines Ministeramtes gegendert werden muss. Während es im Amtsdeutsch vorher „Der Minister für Kultur, Frau XY“ hieß, musste seitdem „Die Ministerin für Kultur, Frau XY“ geschrieben werden. 

Der Streit um den richtigen Sprachgebrauch geht vor allem um die Bezeichnungen von gesellschaftlichen Führungspositionen. Und hier assoziieren heutzutage nun mal viel mehr Menschen paritätisch besetzte Positionen, wenn sie z.B. malen sollen, an was sie denken, wenn sie „Manager und Managerinnen“ hören, als wenn sie „Manager“ hören. Die maskuline Wortform, das so genannte generische Maskulinum [1],  ist hier eben nicht geschlechtsneutral in dem Sinne, dass wir an gleiche viele Managerinnen und Manager denken, wenn wir nur die maskuline Wortform hören. Allerdings zeigen neuere Studien auch, dass man hier sehr differenzieren muss. Denn natürlich denkt jeder und jede unterschiedlich. Wenn zum Beispiel am Beginn eines Arbeitsblattes für Kinder unmissverständlich klargestellt wird, dass beim nachfolgenden Verwenden eines Substantives (z.B. „Konzertbesucher“) beide Geschlechter im nachfolgenden Text gemeint sind, dann stellen sich die Kinder beim weiteren Lesen dieses Substantives im Text (sagen wir, es kommt noch fünf Mal in diesem einseitigen Text vor) stets gemischte Menschenmengen bei einem Konzert vor, und eben nicht nur überwiegend männliche Menschen. 

Kurzum: Heutzutage wird, vor allem von Frauen, zu oft vom grammatikalischen Geschlecht bestimmter Wörter auf das biologische Geschlecht der Referenzobjekte in der realen Welt geschlossen, als dass ich (gerade als Mann!) es ignorieren mag. Höflichkeit ist auch eine Tugend! Aber: In den konkreten Einzelfällen, bei denen ich mir sicher bin, dass die Assoziation vom Wort zu Welt nicht irreführend sein kann (es sei denn, man will bewusst missverstehen), nehme ich mir die Freiheit heraus, das Maskulinum generisch zu verwenden, eben weil es dann geschlechtsneutral ist. Es sei noch mal an das Beispiel „Ich geh noch schnell zum Bäcker“ erinnert, wo ich sicher nicht in meinem Blog „Ich geh noch schnell zum Bäcker_in schreiben werde“. Sprachliche Eleganz ist vielleicht keine Tugend, aber ein Wert ;-)


[1] Laut Duden meint der Ausdruck ‚generisches Maskulinum‘ die „geschlechtsübergreifende Verwendung eines maskulinen Wortes wie der Arzt bzw. die Ärzte für alle Menschen mit diesem Beruf: Die Ärzte in Deutschland sind gut ausgebildet („Menschen aller Geschlechter mit der entsprechenden medizinischen Ausbildung“).“ Quelle: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/generische-verwendungsweise-maskuliner-formen

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